Janssen - Peter Braun -Skulpturen

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„Nun aber schnell kommen, Herr Braun“

Horst Janssen (1929 – 1995) gilt mit seinen Zeichnungen, Aquarellen und Radierungen als einer der großen Künstler des 20. Jahrhunderts, geehrt mit Ausstellungen weltweit. Im Jahr 2000 wurde in Oldenburg das „Horst-Janssen-Museum“ eröffnet, das ihm und seinem Werk gewidmet ist.
Ich lernte Janssen Ende 1981 kennen, zunächst aber seinen Drucker Hartmut Frielinghaus, ebenfalls ein hervorragender Grafiker, den ich in Hamburg besuchte und der darauf bestand, mich Janssen vorzustellen. Spontan könne man ihm jedoch keinen Besuch abstatten, man müsse vorher klären, in welcher Stimmung sich der Meister befinde. So erhielt ich bald darauf ein Kärtchen von Frielinghaus: „Nun aber schnell kommen..!“
Wir suchten also im Dezember den Meister in seinem Häuschen in Blankenese auf, vor dem wir uns mangels Klingel laut bemerkbar machen mussten, um dann über eine Außentreppe Einlass zu erhalten in einen chaotischen Wohn- und Arbeitsbereich, eine Art Gesamtkunstwerk, bestehend aus Zeichnungen und Aquarellen, wohin das Auge blickte, Bergen von Papier und Büchern. Alles, was dafür Platz bot, war mit Texten beschriftet, selbst Wände, Türen, auch ein der Katze vorbehaltener Sessel – und inmitten ein gewichtiger, gut gelaunter (!) Horst Janssen. Im Laufe der Unterhaltung entdeckten wir bald eine Gemeinsamkeit: die Liebe zu altem Papier, das Janssen für seine Zeichnungen bevorzugte, Frielinghaus für Radierungen und wovon ich einen guten Vorrat besaß. Solches Papier war, wie beide feststellten, in unbeschriftetem Zustand kaum zu finden. (Ein Buchbinder, der für eine Staatsbibliothek jahrhundertealte Folianten neu gebunden und die Vorsatzblätter entfernt hatte, hatte mir diese einst überlassen). Beim Abschied bat mich Janssen, ihm bei einem künftigen Besuch einige dieser Papiere mitzubringen.
Im Mai 1982 kam ich seinem Wunsch nach. Janssen, der gerade für seine Serie „Paranoia“ an einem Selbstporträt zeichnete, ergriff sogleich eines der mitgebrachten Blätter und kurze Zeit später befand sich darauf ebenfalls ein Selbstportät als Rauch aus einem Schornstein aufsteigend. „Für Sie!“, sagte er. Es schmückt noch heute eine Wand meiner Wohnung. Ein großer Teil der Janssen-Zeichnungen entstand in der Folge auf diesen Papieren.

Im Herbst 82 war ich erneut bei ihm. Er arbeitete diesmal an einem Plakatentwurf für ein Theaterstück von Walter Jens, im Entstehungszustand schon eine sehr beeindruckende, etwas erschreckende Zeichnung zweier Skelette fast in Originalgröße, so, wie er sie in seinem Wohnraum in natura stehen hatte. Ursprünglich habe er ein Porträt der Hauptdarstellerin Ida Ehre dafür vorgesehen, es aber dann verworfen. Es wäre mir damals nicht in den Sinn gekommen, dass auch diese Zeichnung einmal mein Eigen sein würde. Auch ansonsten bestanden die Treffen und Begegnungen aus an- und aufregendem Austausch.

Ein letztes Mal begegnete ich Horst Janssen 1986 in Paris mit seiner sehr jungen Liebe Annette Kasper anlässlich einer Ausstellung in der Galerie Berggruen. Auch er schien verjüngt, schlanker geworden, war ungewohnt adrett gekleidet. Die Vernissage bei Berggruen fand in kleinem Kreis geladener Gäste statt und war ein großer Erfolg. Die Tochter von Picasso Maya schrieb dazu: „Ich war wirklich der Meinung, in meinem Alter alles gesehen zu haben – oder doch mehr als genug. Aber welch ein Vergnügen bereitete es mir, in der Galerie Berggruen Janssen zu entdecken.“

Die folgenden Jahre waren für Janssen geprägt von Katastrophen. Sein Galerist Hans Brockstedt teilte mir bald nach der Ausstellung in Paris mit, Annette habe die Beziehung mit Janssen beendet, und schrieb weiter: „Daraufhin vernichtete er alle Zeichnungen, die er ihr geschenkt hatte. Er schuf wenige Tage nach diesem Unglück die großartige Mappe „Laokoon“. Auf 24 Radierungen dokumentierte er seine anhaltende Liebe zu Annette, zeigte mit in die Platten geritzten Texten seine Verzweiflung. Annette war aber schon in Amerika, hatte ihn verlassen.“

Vier Jahre später brach Janssen durch den maroden Holzboden seines Balkons, stürzte in die Tiefe und alles, was sich seitlich auf dem Balkon befand, vor allem Wannen mit der für die Radierungen benötigten Salpetersäure, stürzte auf ihn und verätzte seine Augen und die Haut. Das Becken und ein Schienbein waren gebrochen. Es folgten Monate fast völliger Blindheit.

Wiederum vier Jahre später, 1994 erlitt er einen leichten Schlaganfall und ein Jahr danach einen schweren. Während seines Klinikaufenthalts wurde in sein Häuschen eingebrochen und Zeichnungen und Grafiken wurden gestohlen.
Am 31. August 1995 starb Horst Janssen, sein Drucker Hartmut Frielinghaus nur vier Monate später.
Beiden verdanke ich, ebenso wie A. Paul Weber, sehr viel. Sie haben mir, jeder auf seine Weise, damals geholfen, neue Wege zu gehen.






Paris 1986 (Foto: Peter Braun)


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